ev. und kath.

Was sind eigentlich die grundlegenden Unterschiede zwischen katholischer und evangelischer Kirche?

 

Eine Frage, die in den letzten Jahren nicht selten gestellt wird. Meistens geschieht dies vor dem Hintergrund der Erfahrung guter ökumenischer Kontakte in den Gemeinden oder Verbänden und großer Gemeinsamkeiten zwischen den beiden größten christlichen Konfessionen Deutschlands. Das, was angeblich trennt und warum z.B. Eucharistiegemeinschaft nicht möglich sein soll, tritt dagegen eher in den Hintergrund oder wird nicht wirklich verstanden. „Wir sind doch alle Christen!“ heißt es dann, sicher nicht völlig zu unrecht.

Bevor ich auf die Unterschiede eingehe, möchte ich deshalb zumindest einige fundamentale Gemeinsamkeiten aufzählen:

  • der Glaube an Gott, an seinen gekreuzigten und auferstandenen Sohn Jesus Christus, und an den Heiligen Geist
  • die Bibel (Altes und Neues Testament) als Wort Gottes
  • die Taufe und das „gemeinsame Priestertum“ aller Getauften
  • der Glaube, dass Christus in der Eucharistie/im Abendmahl in Leib und Blut wirklich gegenwärtig ist
  • der Glaube an ein ewiges Leben in Gemeinschaft mit Gott nach dem irdischen Tod
  • das Apostolische Glaubensbekenntnis, das „Große Glaubensbekenntnis“ (formuliert auf den Konzilien von Nizäa 325 und von Konstantinopel 381; Gotteslob Nr. 356), die Feier des Sonntags, viele Feste, Gebete usw.
  • der vielfältige Einsatz für Gerechtigkeit in der Welt, für Frieden und für die Bewahrung der Schöpfung
  • ...

Daneben gibt es allerdings nach wie vor einige grundlegende Unterschiede in Lehre und Verständnis des Glaubens:

  • Nach katholischem Kirchenverständnis ist der Papst Nachfolger des Apostels Petrus und als solcher von Christus zum Oberhaupt der Kirche bestimmt (vgl. v.a. Mt 16,18f.). Einen solchen Anspruch lehnen die Evangelischen (und auch die meisten anderen Konfessionen) ab.
  • Nach katholischer Überzeugung erhalten die Bischöfe, Priester und Diakone im Weihesakrament (der Priesterweihe) von Gott für immer eine besondere Prägung, die sie zu einem Dienst bevollmächtigt, der sich von den Aufgaben und Diensten der übrigen Gläubigen (Laien) wesentlich unterscheidet. Sie wird von Bischöfen, die wiederum von Bischöfen geweiht worden sind, gespendet. Diese „Weihekette“ verbindet nach Ansicht der katholischen Kirche die Bischöfe mit den Aposteln Jesu und ist sichtbarer Ausdruck der Einheit der Kirche über alle Zeiten und Orte hinweg. Die katholischen Bischöfe verstehen sich daher als Nachfolger der Apostel (apostolische Sukzession). Die evangelische Kirche lehnt diese „sakrale“ Sicht des geistlichen Amtes ab. Sie sieht im geistlichen Amt keine Weihe der Person, sondern „nur“ eine (von Gott gewollte) Funktion, die die Gemeinde jemandem – im Prinzip jedem, nach den meisten Kirchenordnungen in der Regel aber einem Pastor/einer Pastorin – übertragen kann.
  • Eine Folge dieses unterschiedlichen Amtsverständnisses ist es, dass nach katholischer Lehre nur ein geweihter Priester der Eucharistiefeier vorstehen darf. Nur er kann im Namen Jesu Brot und Wein konsekrieren (Verwandlung in Leib und Blut Christi). Nach evangelischer Auffassung kann im Prinzip jede und jeder Getaufte das Abendmahl leiten. Es besteht kein wesentlicher Unterschied zwischen der Vollmacht eines Pastors und der eines (nur) Getauften. Diese unterschiedlichen Ansichten sind der Grund für die Ablehnung der Mahlgemeinschaft von katholischer Seite.
  • Eine weitere, wenn auch indirekte Folgerung aus dem katholischen Amtsverständnis ist der Zölibat, die Ehelosigkeit der Priester und Ordensleute. Evangelische lehnen ihn als Pflicht ab (siehe auch Zölibat).
  • Nach katholischem Glauben ist Christus auch nach der Messe im eucharistischen Brot und Wein gegenwärtig (solange die Zeichen bestehen, enthalten sie Christi Gegenwart). Die konsekrierten Gaben können/müssen daher in der Kirche aufbewahrt und verehrt werden. Für Evangelische wird das, was vom Abendmahl übrig bleibt, wieder zu gewöhnlichem Brot und Wein.
  • Das richtige Verständnis des Alten und des Neuen Testaments ist nach katholischer Lehre durch die ununterbrochene Glaubenstradition des Gottesvolkes und durch das kirchliche Lehramt (Papst, Konzilien, Bischöfe) gegeben. Evangelische halten die Bibel für die alleinige Quelle aller Glaubenslehren.
  • Die katholische Kirche kennt sieben Sakramente (Eucharistie, Krankensalbung, Taufe, Ehe, Priesterweihe, Bußsakrament, Firmung), die evangelische mit der Taufe und dem Abendmahl nur zwei. Alles andere sind für sie nur Segnungen, weil sich dafür keine ausdrückliche Einsetzung durch Jesus in der Bibel finden lässt.
  • Evangelische Christen lehnen die Verehrung Mariens und der Heiligen ab, weil sie dadurch eine Einschränkung der göttlichen Ehre befürchten. Katholiken verehren in den Heiligen das vielfältige Wirken Gottes, der zu allen Zeiten Menschen in seinen Dienst gerufen hat. Als Folge entstanden allerdings auch Vorstellungen wie die Rolle der Heiligen als Bittsteller bei Gott oder ihre Verehrung als Schutzheilige, denen de facto eigene überirdische Macht in bestimmten „Aufgabenbereichen“ zugeschrieben wird, nicht unähnlich den Göttern im Polytheismus. Die beiden katholischen Mariendogmen – besondere Erwählung (Rettung vor der Erbsünde) und leibliche Aufnahme Mariens in den Himmel sind nach evangelischer Ansicht unbiblisch. Nach katholischer Vorstellung handelt es sich dabei um eine legitime und gottgewollte Entfaltung des biblischen Glaubens.
  • Die Kirche spielt für Katholiken eine wesentlich wichtigere Rolle als für Evangelische. Sie ist, trotz allen menschlichen Versagens, umfassendes Sakrament des Heils, also Zeichen und Werkzeug der Liebe Gottes in der Welt.

Ein wichtiger und wesentlicher Unterschied wurde mittlerweile durch die Gemeinsame Erklärung zur Rechtfertigungslehre (1999) entschärft. Rechtfertigung meint die Ansicht der Reformatoren, dass sich der sündige Mensch vor Gott nicht aufgrund irgendwelcher Taten (eigene Leistungen, gute Werke, Ablasszahlungen usw.) rechtfertigen kann, sondern allein aus dem Glauben. Sie beziehen sich damit auf Paulus, der das Geschenk der Gnade Gottes betont, der in Jesus Christus den Tod erlitten und in der Auferstehung das Leben zum Durchbruch gebracht hat und sich so festgelegt hat, gnädig für alle Menschen da zu sein. Für Evangelische erfolgt die Rettung des sündigen Menschen also allein aus der Gnade Gottes und gute Werke des Menschen sind die Folge des Glaubens, während katholische Christen davon ausgehen, dass der Mensch durchaus etwas zu seiner Rettung (durch gute Taten, durch die Bekenntnis und anschließende Vergebung der Sünden in der Beichte usw.) beitragen kann. Diese unterschiedlichen Ansätze haben die beiden Kirchen in der Gemeinsamen Erklärung zur Rechtfertigung in Form eines „differenzierten Konsenses“ in Übereinstimmung gebracht.

Zusammenfassend könnte man sagen: Die evangelische Grundregel lautet seit der Reformation: allein aus Gnade, allein durch Glauben, allein die Bibel. Katholisch wäre die Erweiterung: ... und durch gute Werke, und die Kirche.

Mehr zum Thema Ökumene gibt es auch im Werkbrief "Ökumene. Unmöglich möglich" (zu bestellen im Landjugendshop)

„Ich bin glücklich auf dem Land, weil‘s einfach gmiadlich is.“
Jonas