Maria und Josef

War Maria mit Josef verheiratet als Jesus geboren wurde?

 

Mit diesen Fragen wird ein sehr grundsätzliches Problem angesprochen: Wir wissen einfach sehr wenig über die Kindheit Jesu und über seine Eltern, Josef und Maria. In den ältesten Quellen – den Paulusbriefen und dem Markusevangelium – wird von der Kindheit Jesu gar nichts berichtet – wahrscheinlich weil sie im Vergleich zur Auferstehungsbotschaft wohl als nicht so wichtig erachtet wurde. Erst Lukas (1,26-2,52) und Matthäus (1,18-2,23) erzählen Geschichten aus der Kindheit Jesu und ein paar wenige Details über die Eltern.

 

Es gibt Wissenschaftler, die diese Kindheitsgeschichten darum für nicht historisch halten sondern für nachträglich erdichtet. Der Zweck sei gewesen, die Besonderheit des geborenen Kindes zu verdeutlichen (durch die jungfräuliche Empfängnis und deren Verkündigung an Maria durch einen Engel [Lk 1,26-38], durch den Besuch der drei Weisen [Mt 2,1-12] …) bzw. zu zeigen, dass die Verheißungen des Alten Testaments über den Messias eingetroffen sind (Geburt in Bethlehem [Mt 2,1; Lk 2,1-20], aus dem Geschlecht Davids stammend [Lk 2,4] – dem Mt-Evangelium ist ein Stammbaum vorangestellt, der Josefs Abstammung von David darstellt [Mt 1,1-17]).

 

Am wahrscheinlichsten handelt es sich wohl um mündliche Überlieferungen, die die Autoren des Lukas- und des Matthäusevangeliums kannten bzw. die in den Gemeinden der Evangelisten weitererzählt wurden. Diese wurden dann 40 bis 50 Jahre nach dem Tod Jesu aufgeschrieben, und zwar von Leuten, die Jesus nie persönlich gesehen hatten – das ist ungefähr so, als ob jemand von uns die Geburts- und Kindheitsgeschichten einer für die Familie wichtigen Urgroßtante aufschreiben wollte, die uns zwar oft erzählt wurden, deren Hauptperson wir aber selbst nie kennengelernt haben. Es ist in solchen Fällen unglaublich schwer zu trennen zwischen den Dingen, die wirklich passiert sind, und dem, was im Lauf der Zeit evtl. an Ausschmückungen dazugekommen ist.

 

Relativ viele und teilweise sehr detailierte Informationen finden wir in den so genannten „apokryphen Evangelien“ – also Texten, die in der Frühzeit des Christentums ungefähr zur gleichen Zeit mit den bekannten biblischen Evangelien entstanden sind, jedoch nicht in den offiziellen biblischen Kanon aufgenommen wurden. Bei diesen Kindheitsgeschichten ist sich die Wissenschaft jedoch relativ einig, dass es sich um Legenden handelt.

 

Wenn man, wie wir Christen es tun, davon ausgeht, dass Gott (in der Gestalt des Hl. Geistes) zu jeder Zeit in der Geschichte gewirkt hat und damit evtl. auch, wie es die kath. Kirche annimmt, bei der Zusammenstellung des biblischen Kanons, gewinnen die Kindheitsgeschichten der Evangelien in unserer heutigen Bibel, je nachdem wie man dazu steht, natürlich noch einmal ein weit höheres Maß an Relevanz. Das ist aber nun tatsächlich eine Frage des Glaubens, auch wenn man davon ausgehen muss, dass bei der Auswahl der Texte für die Bibel sicher Kriterien wie ihre weite Verbreitung und die inhaltliche Passung zur Botschaft Jesu wirksam wurden – sie also nach menschlichem Ermessen tatsächlich glaubhaft erschienen.

 

 

Was wissen wir nun aber eigentlich konkret von der Familie Jesu?

Maria wird von allen Texten übereinstimmend als die Mutter Jesu dargestellt. Lukas und Matthäus (Mt 1,18; Lk 1,27) berichten, dass Maria mit Josef verlobt war, als sie Jesus empfangen hat.

 

Die Tatsache, dass Maria vor der Hochzeit schwanger war – und das nicht von ihrem zukünftigen Ehemann – warf mit Sicherheit einige Fragen auf. Sonst wäre auch die Geschichte von Josefs Traum nicht aufgeschrieben worden (Mt 1,18-25). Josef hätte in dieser Situation das Recht gehabt, Maria zu verstoßen. Und für Maria hätte das eine Spirale von schwerwiegenden Folgen ausgelöst: Ohne einen Mann oder die Eltern konnte sich eine junge Frau in der damaligen Zeit nicht versorgen. Sie wäre arm und rechtlos geworden. Wenn ihre Eltern sie aufgrund dieser Schande (offenbar mit einem Mann geschlafen zu haben, der nicht ihr Ehemann war) auch nicht mehr aufgenommen hätten, wäre sie wohl in die Prostitution geraten – damals für solche Frauen beinahe die einzige Möglichkeit, zu überleben. Am Ende der Erzählung von Josefs Traum aber heißt es: „Als Josef erwachte, tat er, was der Engel des Herrn ihm befohlen hatte, und nahm seine Frau zu sich.“ (Mt 1,24). Diese Formulierung legt eine Heirat bzw. einen Ritus, der unserer Heirat entspricht, doch sehr nahe.

 

Darüber hinaus berichten die Evangelien auch von weiteren Brüdern Jesu (z.B. Mt 12,47; Mk 6,3). Insbesondere wird immer wieder der Herrenbruder Jakobus erwähnt, der in der jungen Christengemeinde nach Tod und Auferstehung Jesu offenbar eine wichtige Rolle gespielt haben muss (vgl. Apg 15,13; Gal 1,19). Hier ist sich die Wissenschaft allerdings uneins, ob es sich um wirkliche Brüder oder lediglich um nahe Verwandte gehandelt hat (nach katholischer Auffassung wären es Vettern von Jesus, da katholische wie orthodoxe Kirche das Dogma von der immerwährenden Jungfräulichkeit Mariens kennen). Es ist nach dem Zeugnis der Evangelien aber wohl nicht auszuschließen, dass Maria und Josef nach ihrer Heirat noch mehrere Kinder hatten. Folgt man den Berichten der Evangelien, dann hat diese Heirat auch ganz sicher vor der Geburt Jesu stattgefunden: Letztendlich ist schon beim Besuch der schwangeren Maria bei ihrer Base Elisabeth (Lk 1,39-56) von der Gefahr einer Schande oder einer unehelichen Empfängnis keine Rede mehr. Und warum hätte Josef Maria im Rahmen einer Volkszählung sonst mit nach Bethlehem nehmen sollen, wenn sie nicht seine Frau gewesen wäre (Lk 2,1)? – für Matthäus lebten Josef und Maria übrigens ursprünglich in Bethlehem und sind erst nach der Geburt Jesu nach Nazareth gezogen. Auch logisches Nachdenken legt diesen Schluss nahe: Denn wäre Jesus unehelich geboren worden, wäre diese Steilvorlage sicher in den Polemiken seiner späteren Gegner und der Gegner der ersten Christen zu finden gewesen.

 

Es spricht also einiges dafür, dass die jungfräuliche Empfängnis Mariens zunächst ein Geheimnis zwischen Josef und Maria geblieben ist, das aufgrund einer schnellen Heirat den Zeitgenossen verborgen blieb und erst nach Tod und Auferstehung Jesu erzählt wurde.

 

Mehr zum dogmatischen Status Mariens in der katholischen Kirche findet Ihr in der Anwort zum "göttlichen Status Mariens in der katholischen Kirche."

„Ich bin glücklich auf dem Land, weil man do no zamhaifd.“
Nicole