Marias gottesähnlicher Status

Warum hat Maria einen so gottesähnlichen Status in der katholischen Kirche?

 

Die konkrete Anfrage lautete "Warum ist der katholischen Kirche die Unbeflecktheit Mariens so wichtig? Warum hat Maria diesen gottesähnlichen Status, der zwar dementiert wird aber eben diese Außenwirkung hat? Nichts desto trotz ist Maria eine interessante Person!" Letztendlich handelt es sich hier also um zwei unterschiedliche Fragen und deswegen muss ich diesmal wohl auch etwas weiter ausholen.

 

Der Status Mariens – Lehre und Praxis

Zunächst einmal zur zweiten Frage. Der Status Marien ist in der katholischen Lehre durchaus kein gottesähnlicher, sondern definitiv davon unterschieden: Die Dogmatik, die Wissenschaft von der Glaubenslehre der Kirche, trennt hier zwischen Verehrung und Anbetung

 

  • Verehrung“ kann besonderen Menschen/Vorbildern, im katholischen Kontext natürlich v.a. Vorbildern im Glauben – Heiligen, und damit eben auch Maria zukommen.
  • Anbetung“ steht nur Gott allein zu. Es wäre eine Missachtung der Ehre Gottes und ein Verstoß gegen das erste der zehn Gebote („Du sollst keine anderen Göttern neben mir haben“), wenn man etwas anderes täte. Theologisch gesprochen wäre es Häresie, Maria anzubeten.

Demgegenüber muss man zugestehen, dass manche tradierte Glaubenspraxisund Ausformungen der Volksfrömmigkeit (die nicht selten erst im 19. und 20. Jahrhundert entstanden) durchaus in der Gefahr stehen, diese Grenze zu verwischen bzw. zu überschreiten. Wenn Maria als „Himmelskönigin“ oder als „Schutzmantelmadonna“ angesprochen wird, wenn man sieht, wie bisweilen in Marienwallfahrtsorten Maria „verehrt“ wird, fällt es dem halbwegs objektiven Beobachter schwer, dahinter nicht doch eine angenommene Gottähnlichkeit zu vermuten. Theorie und Praxis scheinen hier nicht immer hundertprozentig zusammenzupassen.

 

 
Erklärungsversuche

Zu erklären ist das nicht so ganz einfach. Religionswissenschaftlich wird häufig die These vertreten, Maria ersetze quasi das weibliche Prinzip in einer Religion, die stark von einem männlichen Gottesbild geprägt sei. Aus dem Kontext der Geschichte der Heiligenverehrung ist vielleicht anzuführen, dass im Verlauf des Frühmittelalters Gott für die Menschen so weit entrückt wurde, dass man sich nicht mehr traute, sich direkt im Gebet an ihn zu wenden. Man brauchte (Ver-)Mittler. Hierfür waren die Heiligen – als Vorbilder im Glauben und christlichen Leben in der mittelalterlichen Vorstellung sicher sehr nah bei Gott aber dennoch der Niedrigkeit der Menschen und der Trübsal des Erdenlebens gegenwärtig – in besonderem Maße geeignet. Und ganz herausgehoben natürlich Maria. Denn niemand steht Jesus Christus doch näher als seine Mutter. Eine Fürbitte an Maria schien in den sehr konkreten Vorstellungen der damaligen Menschen also der beste Weg an das Ohr Christi (hier wird übrigens ein Prinzip nachgebildet, dass die Menschen von Königs- und Fürstenhöfen kannten – man braucht Fürbitter, um zum Ohr des Herrschers vorzudringen). So manches in dieser Vorstellung hat sich in der Volksfrömmigkeit wohl bis heute gehalten.

 

Vermutlich wäre es daher wohl wichtig, in der Verkündigung und in der Gestaltung der Liturgie den Unterschied zwischen Verehrung und Anbetung deutlicher zu markieren, die weiblichen Aspekte Gottes stärker zu betonen – der auch nach katholischer Vorstellung jenseits von Geschlechtergrenzen steht und sowohl Mann als auch Frau nach seinem Vorbild geschaffen hat – sowie Gott als einen liebenden, mitgehenden und immer ansprechbaren Gott den Menschen vor Augen zu führen.

 

 
Die vier katholischen Mariendogmen

Dennoch ist der Status Mariens ein sehr besonderer, und dies hat die Kirche in vier Mariendogmen versucht zu definieren. Diese lassen sich teilweise biblisch herleiten, sind aber in größeren Teilen auch als darüber hinausgehende Offenbarung des Heiligen Geistes in der Geschichte zu verstehen. Über Maria wird in der Bibel nämlich überraschend wenig erzählt.

 

  • Maria, Gottesgebärerin: Beschlossen auf dem Konzil von Ephesos 431 – Wenn Christus zugleich wahrer Mensch und wahrer Gott ist und das vom ersten Augeblick seiner menschlichen Existenz an war, dann muss Maria einen Gott geboren haben. Anstatt von Gottesgebärerin wird häufiger (etwas irreführend) auch von Gottesmutter gesprochen.
  • Maria, immerwährende Jungfrau: Beschlossen auf einer römischen Kirchenversammlung 649 – Vor allem eine Aussage, die deutlich machen will, dass sich die Besonderheit Christi bereits bei seiner Geburt gezeigt hat und dass durch seine Menschwerdung die ganz Schöpfung ohne Zutun der Menschen, nur durch göttlichen Willen erneuert wird.
  • Maria, unbefleckt empfangen: Verkündet von Papst Pius IX. 1854 – Zu verstehen vor dem Hintergrund der katholischen Lehre von der Erbsünde, von der allein Maria durch die besondere Gnade Gottes im Augenblick ihrer Zeugung bewahrt wurde.
  • Maria, aufgenommen in den Himmel: Verkündet von Papst Pius XII. 1950 – Da Maria die göttliche Gnade durch die Befreiung von der Erbsünde bereits empfangen hat, erlebte sie in Konsequenz keine Läuterung mehr im Tod, sondern wurde im Vorgriff auf die Auferstehung der Toten am Ende der Zeit schon mit ihrem Leib in den Himmel aufgenommen.

Interessant ist, dass insbesondere die beiden älteren Mariendogmen eigentlich Aussagen über Christus darstellen. Eine ähnliche Logik findet man übrigens auch beim Rosenkranz: Dieses typische „Mariengebet“ ist eigentlich eine Verherrlichung der Heilstaten Gottes in Leben, Tod und Auferstehung Jesu Christi, an die in den wechselnden Einschüben erinnert wird.

 

 
Unbeflecktheit Mariens

Mit der Aufzählung der Dogmen haben wir auch schon die Frage nach der Unbeflecktheit Mariens angerissen. Wie schon gesagt, wird hier die Besonderheit Mariens durch einen göttlichen Gnadenakt deutlich gemacht. Nach der katholischen, in weiten Teilen von Augustinus geprägten Erbsündenlehre, besitzt jeder Mensch von Geburt an eine Erbsünde, die durch das Essen der verbotenen Frucht im Paradies durch Adam entstand. Mag das uns heute in dieser bildlichen Sprache auch seltsam vorkommen, so steht die Annahme der Erbsünde im Grundsatz für die Erlösungsbedürftigkeit des Menschen. Der Mensch kann sich nicht selbst erlösen – etwa durch großen Erfolg oder viele gute Werke, sondern das kann in letzter Konsequenz allein Gott (der als liebender Gott auch das Heil für alle Menschen will – es geht also nicht um eine Willkürherrschaft o.Ä.). Maria, so die katholische Vorstellung, ist durch göttliche Gnade frei von der Erbsünde und damit schon am Anfang ihres Lebens erlöst und hat auch im Lauf ihres irdischen Lebens keine Sünden begangen.

 

Wichtig ist dabei sicher die Folgerung, dass Maria ein ganz besonderer Mensch war, der sich – so wenig wir auch über sie wissen – ganz besonders als Vorbild im Glauben eignet. Fraglos also eine interessante Person (mehr zu Maria und zur Auseinandersetzung mit ihr auch im Werkbrief Maria - zu bestellen im Landjugendshop).

 

Nicht zu verwechseln ist dieses Unbeflecktheits-Dogma mit der Jungfräulichkeit Mariens. Manche Theologen vertreten übrigens diesbezüglich die Ansicht, dass diese Jungfräulichkeit nicht zwingend biologisch verstanden werden muss, sondern primär Bild für das oben beschriebene Geschehen ist und die Besonderheit Christi darstellen will.

 

„Ich bin glücklich auf dem Land, weil‘s einfach gmiadlich is.“
Jonas