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KLJB-Mitglied Johannes Mitterer ist als offizieller Beobachter bei der UN-Weltklimakonferenz in Lima dabei und berichtet exklusiv für die KLJB Bayern.

KLJB-Landesvorsitzender Rupert Heindl konnte aus München mit ihm über seine Motivation und Bewertungen sprechen. Hier blickt Rupert auf Johannes in Lima bei einer öffentlichen skype-Konferenz, die auf Initiative des AStA-Umweltreferats und der Fachschaft Geographie an der TU München stattfand.

Wird es was mit dem Klima in Lima? KLJBler Johannes Mitterer ist dabei!

Diese Woche schaut die ganze Welt auf Lima: Die UN-Klimakonferenz kann dort endlich einen Weg für verbindlichen Klimaschutz vereinbaren. Unter den 5.000 Delegierten ist auch ein bayerischer KLJBler, der uns aktuell berichtet, worum es hier für die ganze Welt und jeden von uns geht: Johannes Mitterer (26) aus der KLJB Gschaid (Kreis Rottal-Inn, Diözese Passau) ist Student an der TU München und nimmt für das "Jugendbündnis Zukunftsenergie" als offizieller Beobachter an den Verhandlungen teil. Über seine Motivation und seine Bewertungen sprach mit ihm der KLJB-Landesvorsitzende Rupert Heindl, der selbst als UN-Jugenddelegierter für Nachhaltige Entwicklung die Klimaverhandlungen von München aus engagiert beobachtet: Was erwartet Johannes bis Dezember 2015 in Paris, was sagt er zu den Grenzen einer wachstumsorientierten Wirtschaft und was können wir alle für mehr Klimaschutz tun?

 

Hier unser exklusiv von Rupert Heindl für die KLJB Bayern geführtes Gespräch mit Johannes Mitterer in Lima - es kann auf Anfrage von Medien (auch auszugsweise mit den unten stehenden Fotos und Quelle: KLJB Bayern) nachgedruckt werden:

 

Hallo Johannes, viele junge Menschen fliegen zum Backpacken nach Australien oder Thailand. Du fliegst zur Weltklimakonferenz nach Lima. Warum?


Grundsätzlich mache ich Backpacken natürlich genauso gern wie viele andere. Allerdings ist die Weltklimakonferenz politisch gesehen etwas ganz besonderes. Ich glaube es gibt im Moment kaum ein Gremium, das so viel Macht über meine und die Zukunft vieler anderer junger Leute hat, wie dieses. Es geht dabei nicht nur um viel Geld. Je nachdem, wie weitreichend die Beschlüsse in den Abkommen sind, wird das unsere Zukunft nachhaltig verändern. Folgt man den aktuellen wissenschaftlichen Aussagen auf der Konferenz, so muss unsere Gesellschaft bis 2050 auf 70% der Emissionen verzichten, bis spätestens 2100 sogar ganz ohne Treibhausgase auskommen. Das bedeutet einen grundlegenden Wandel unserer gesamten Gesellschaft und ist eine immense Herausforderung! Deshalb sollte es meiner Meinung nach der Antrieb eines jedes jungen Menschen sein, sich darüber zu informieren, denn es betrifft unsere Zukunft! Ich möchte mit meiner Teilnahme an der Konferenz dazu beitragen, möglichst vielen Menschen den Zugang zu dem Thema zu erleichtern und soweit möglich meinen Einfluss bei den Delegierten geltend zu machen. Daheim bin ich einer von 7 Milliarden Bürgern der Erde, hier sind wir „nur“ 5000 und ich habe obendrein noch alle Möglichkeiten, mit den Verantwortlichen direkt zu sprechen. Das ist für mich vergleichbar mit einem Lotto-Gewinn. 

 

Bist du auch außerhalb der Weltklimakonferenzen im Bereich Klimaschutz aktiv?


Grundsätzlich verfolge ich auch daheim politische Entscheidungen, die in den Medien übertragen werden und kommentiere sie bzw. versuche, sie möglichst weit zu kommunizieren. Weiterhin gehe ich soweit möglich auf Demonstrationen und Veranstaltungen und ich versuche, meinen ganz persönlichen Beitrag zu leisten, indem ich mein persönliches Verhalten regelmäßig überprüfe und wenn nötig anpasse. Das geht bei ganz einfachen Dingen los, wie z.B. das Licht auszuschalten, wenn ich den Raum verlasse oder das Fahrrad und die Öffentlichen zu benutzen. Es geht aber auch bis zum bewussten Einkauf im Supermarkt (warum müssen meine Kartoffeln aus Ägypten kommen?) und beim Elektrohändler. Ansonsten skype ich einmal monatlich mit meinen Freunden beim Jugendbündnis Zukunftsenergie und wir versuchen uns gegenseitig auf dem Laufenden über die internationalen Bewegungen in der Klimapolitik zu halten.Im kommenden Jahr wird es aber sicherlich noch mehr, da wir uns auf die Klimakonferenz in Paris zubewegen, die von vielen als eine der wichtigsten Konferenzen seit der großen Enttäuschung 2009 in Kopenhagen angesehen wird. 


Glaubst du, dass es gelingt, nächstes Jahr in Paris verbindliche Klimaziele zu verabschieden? Wie sollten diese Ziele deiner Meinung nach aussehen?


Ich bin davon überzeugt, dass es eine Einigung auf einen Vertrag geben wird. Nach der ausgesprochenen Blamage nach dem Scheitern der Konferenz in Kopenhagen kann sich die internationale Politik ein Déjà-vu nicht leisten, ohne komplett die Glaubwürdigkeit zu verlieren. Das wissen die Delegierten hier und auch die deutsche Delegation ist davon überzeugt. Allerdings ist die große Frage, wie die Inhalte des Abkommens gestaltet sein werden. Das berührt Fragen nach den Reduktionszielen, den Finanzierungsvereinbarungen und Ausgleichszahlungen, Technologietransfer und vieles mehr, und daran müssen wir noch hart arbeiten.Ich persönlich finde, dass wir allein aus ethischen Gründen dazu verpflichtet sind, sehr ambitionierte Reduktionsziele zu vereinbaren. Wir sollten uns dessen bewusst sein, dass bereits heute Inseln mit Bewohnern durch den bereits erfolgten Meeresspiegelanstieg von 19 cm gegenüber der Jahrhundertwende 1900 unbewohnbar werden. Das Salzwasser dringt in die Brunnen ein und die Palmplantagen, die wirtschaftliche Basis der Bewohner, sterben ab. Letztendlich sind Klimaflüchtlinge also bereits jetzt Realität und der erwartete Meeresspiegelanstieg für das optimistischste aller Szenarien beträgt etwa einen halben Meter zusätzlich! Allein unser wirtschaftlicher Erfolg sollte meiner Meinung nach nicht noch einmal die Ursache für Leid auf der Erde sein, doch ohne wirklich ambitionierte Ziele werden wir das wohl nicht erreichen. 


Wie siehst du die Rolle Deutschlands in diesem Prozess? Was wünscht du dir von der deutschen Delegation im Laufe dieser Verhandlungen?


Die deutsche Delegation, die ich bereits mehrfach getroffen habe, ist sehr daran interessiert, die Verhandlungen mit ambitionierten Zielen voran zu bringen. Man muss sich jedoch dessen bewusst sein, dass die Menschen die Deutschland hier vertreten, weisungsgebunden sind. Das heißt, sie können nicht persönlich entscheiden, welche Reduktionsziele oder anderweitige Mechanismen Deutschland unterstützt. Diese Entscheidung liegt zum einen bei der Bundesregierung in Berlin, zum anderen aber auch bei der Europäischen Union in Brüssel. Die meisten Delegationen hier - selbst die amerikanische - haben wirklich ein persönliches Interesse daran und arbeiten hart dafür, ambitionierte Ziele zu verwirklichen. Es ist jedoch immer ein großes Problem, was national in den jeweiligen Parlamenten dann auch durchsetzbar ist, denn ein verbindlicher UN-Vertrag muss dort ratifiziert werden. Damit ist der Haken eigentlich, dass die Menschen Ihre jeweiligen Regierungen dazu bringen müssen, sich noch ambitionierter zu engagieren – und das weltweit! Das ist ein sehr großes Problem z.B. in Amerika, aber auch in verschiedenen europäischen Staaten, wie beispielsweise Polen. Ich erwarte mir von der deutschen Regierung, dass sie mit gutem Beispiel voran geht. Sie soll zeigen, dass in einem Industrieland mit hohen Treibhausgasemissionen Wohlstand mit Klimaschutz vereinbar ist. Sind wir darin erfolgreich, nehmen wir vielen Kritikern in anderen Staaten ihre Argumente aus der Hand. 


In Diskussionen um den Klimawandel hört man immer wieder von nachhaltigem Wachstum, Green-Economy und Emissionshandel. Wie schätzt du die Möglichkeiten ein, unser wachstumsorientiertes Weltwirtschaftssystem mit der Reduktion von Treibhausgasen in Einklang zu bringen? 


Dieser Punkt wird auch hier auf der Klimakonferenz in den Büros der Delegationen heftig diskutiert. Ich bin kein Wirtschaftsexperte, doch auch der normale menschliche Verstand sollte erkennen können, dass das wachstumsorientierte Wirtschaftssystem Grenzen hat. Dieses System kann nur funktionieren, wenn wir alle kontinuierlich mehr konsumieren. Die Frage ist: Wollen wir das überhaupt? Ich kenne viele Stimmen, denen das immer-mehr-haben wollen ziemlich auf die Nerven geht, die sich entschließen, ihren Besitz auf das wesentliche zu reduzieren. Vielleicht ist es also sogar möglich, dieses Überdrüssig-sein von sich aufdrängendem Wohlstand mit den Klimazielen in Einklang zu bringen. Es gibt sehr viele nachhaltige Ideen, die eine enorme Reduktion von Treibhausgasen bedeuten würden, man denke nur an die Menge an Lebensmitteln, die wir tagtäglich verschwenden, oder Elektrogeräte, die ja oft auf eine Lebenszeit von 3 Jahren ausgelegt sind. Ich bin kein Systemkritiker, doch grundsätzlich finde ich, dass wir den Gedanken an eine Korrektur nicht ablehnen sollten.


Es ist dir sehr wichtig, die Jugendlichen in Deutschland mit einzubeziehen. Was sind deine Tipps, wie sie sich vor Ort engagieren und etwas bewegen können? 


Bleibt am Ball! Es bieten sich oft Gelegenheiten, die man nur erkennen und dann ergreifen muss. Dazu ist es notwendig, sich zu informieren, den Nachrichten zu folgen und sich selbst zu fragen: Kann ich das vertreten? Würde ich auch so entscheiden? Was wären meine Ideen, meine Überlegungen, die ich einbringen könnte? Seid nicht scheu und traut euch! Jung zu sein beinhaltet das Privileg, dass Argumente durchaus auch kreativ und emotional transportiert werden dürfen und es wird von euch nicht erwartet, dass ihr jeden Sachverhalt aus dem FF wisst. Und das Schöne daran ist: Die Leute können sich nicht erlauben, euch zu ignorieren! Denn mit jungen Menschen auf einem Pressefoto zu sein tut jedem Politiker-Image gut und damit sind sie von euch abhängig. Noch ein Tipp, der mir sehr hilft Frustration zu vermeiden: Es geht weniger darum, ständig alles zu geben. Es geht vielmehr darum, vorbereitet zu sein und die richtigen Adressaten zu finden. Wenn ihr wisst, wo die Schaltstellen für euer Thema sitzen, könnt ihr wesentlich gezielter und effektvoller vorgehen. 


Seit der ersten Weltklimakonferenz steigt der weltweite CO2-Ausstoß stetig weiter an. Viele sind vom Verlauf diese Prozesses sehr enttäuscht oder halten ihn gar für sinnlos. Was motiviert dich trotzdem, an diesem Prozess zu partizipieren? 


Dass die Staatengemeinschaft bisher unfähig war, ein wirksames Abkommen zu beschließen ist hinreichend bekannt. Allerdings hat sich meiner Meinung nach einiges getan in letzter Zeit. Nach außen hin wird der Inhalt der Klimakonferenz oft auf die Treibhausgasreduktionsziele reduziert. Doch die Klimadiskussion hat eine viel weitreichendere Diskussion in Gang gesetzt, die auch ethische Dimensionen berührt und Fragen der globalen wirtschaftlichen und sozialen Gerechtigkeit enthält. Damit ist das Themenfeld weitaus komplexer und breiter als noch 2009 in Kopenhagen, wo eben dieser Aspekt mit auch zum Scheitern der Konferenz beigetragen hat. Das haben die Staaten erkannt und meiner Meinung nach herrscht bei den Delegationen mittlerweile eine unausgesprochene Einigkeit, wie das Verhältnis zwischen Industriestaaten und Entwicklungsländern zu bewerten ist. Damit beginnen die Länder langsam Verantwortung zu übernehmen und konkrete Ziele vorzuschlagen, über die verhandelt werden kann. Der Schritt Chinas und der USA in den letzten Tagen bedeutet, dass die Staaten Verhandlungspositionen beziehen, von der aus man sich einander durch Kompromisse nähern kann. Das ist wirklich ein Fortschritt und lässt mich hoffen, dass wir in absehbarer Zeit zu einer Einigung kommen.Abgesehen davon bin ich der Ansicht, dass mich der Klimawandel mein Leben lang betreffen wird. Damit ist Engagement auf jeden Fall sinnvoll und wichtig, ganz egal wie verfahren die Situation auch erscheinen mag. Ich würde mir mein Leben lang Vorwürfe machen, dass ich die Chance etwas zu verändern aus der Hand gegeben hätte, wenn ich nicht hierher käme. Selbst wenn ich nichts erreiche, kann ich für mich feststellen: Ich habe mich geäußert, mich engagiert und alles getan, um meinen Teil beizutragen. 


Wie geht dein Engagement nach dieser 20. Weltklimakonferenz in Lima weiter?


Die Klimaverhandlungen sind ein langwieriger Prozess und werden uns noch viele Jahre begleiten, von daher geht mir die Arbeit sicher nicht aus. Im kommenden Jahr sind bereits drei Zwischenkonferenzen angesetzt, auf denen weitere technische Details verhandelt werden. Eine davon wird in Bonn stattfinden und ich werde mich mit hoher Wahrscheinlichkeit dort wieder engagieren. Leider reichen meine persönlichen Mittel nicht aus, um zu allen zu fahren, da ich mir das alles selbst finanziere. Doch es gibt auch so jede Menge zu tun, denn die Vernetzung der Jugendgruppen in Europa im Vorfeld von Paris im Dezember 2015 läuft bereits auf Hochtouren. Möglicherweise wird es ganze Sonderzüge geben, die junge Leute aus unterschiedlichen Staaten Europas nach Paris bringen, um dort für eine ambitionierte Atmosphäre zu sorgen. Im Moment läuft ein Antrag bei der EU für ERASMUS+, der uns Koordinierungs- und Vorbereitungs-Treffen auf europäischer Ebene erlauben würde, auch dort versuche ich mich zu beteiligen. Und dann schwebt mir noch eine sehr persönliche Idee vor: Ich möchte ein musikalisches Projekt anstoßen, um musikalische Botschaften aus aller Welt nach Paris zu bringen, Lieder, die die Menschen selbst komponieren und die für jeden frei verfügbar sind. Das ist noch ein kleiner Traum… 

Die TU-München ist weltweit renommiert und sehr stolz auf ihren Titel als Elite-Universität. Ist sie als solche auch in der Verantwortung, ihre Studierenden im Bereich Klimawandel zu sensibilisieren? Wenn ja, wird sie deiner Meinung nach dieser Verantwortung gerecht?

 

Ja, sie ist auf jeden Fall in der Verantwortung! Eine bildende Einrichtung, das steht auch im Artikel 6 der UN Klima-Rahmenkonvention, ist durch den Staat zu Ausbildung, Aufklärung und Sensibilisierung in Bezug auf den Klimawandel verpflichtet. Meiner Meinung nach wird die TU München ihrer Rolle allerdings nur teilweise gerecht. Es gibt Vorlesungen zum Klimawandel, die als Wahlfächer angeboten werden und in vielen Fächern klingt das Thema zumindest in meinem Studium an. Doch dieses Studium ist sehr umweltbezogen und ich bezweifle, dass z.B. BWL-Studenten jemals in ihrem Studium vom Klimawandel in der Uni hören. Was ich vermisse, ist ein gewisses Eigenengagement der Universität, das Thema Klimawandel und auch die Verhandlungen publik zu machen. Beispielsweise wäre es doch interessant eine Podiumsdiskussion mit Fachleuten zum Zeitpunkt der Klimakonferenz zu veranstalten, die allen Studenten und öffentlichem Publikum zugänglich ist. Derlei Aktionen beschränken sich dann doch auf das Eigenengagement der Studenten.

 

Aktuelle Berichte aus Lima von Johannes seht ihr auf der Seite vom 

Jugendbündnis Zukunftsenergie - auch auf Facebook.

 

Johannes Mitterer berichtet gerne nach seiner Rückkehr auch in der KLJB

- Kontaktdaten bei Heiko Tammena in der KLJB-Landesstelle.

 

Auch KLJB-Landesvorsitzender Rupert Heindl berichtet gerne in KLJB-Kreisen und darüber hinaus über seine Ziele als UN-Jugenddelegierter für Nachhaltige Entwicklung: Schreibt an r.heindl[at]kljb-bayern.de 

 

Foto Johannes Mitterer in Lima COP20 (Download jpg-Datei druckfähig, 4,3 MB)

 

Foto Rupert Heindl, KLJB-Landesvorsitzender (Download jpg-Datei druckfähig)

„Ich bin glücklich auf dem Land, weil man do no zamhaifd.“
Nicole