Wie hat sich die Partnerschaft entwickelt?

Wie hat sich die Partnerschaft entwickelt?

Anfang der 50er Jahre entwickelte sich bei den Verantwortlichen der Katholischen Landjugend Bayern die Idee zur Kontaktaufnahme mit katholischen Landjugendverbänden in anderen europäischen Ländern. Für Deutsche –heute nicht mehr vorstellbar – waren die Grenzen zu den anderen Ländern fast verschlossen. Meilensteine der internationalen Öffnung für die KLJB waren die Gründung der Internationalen Katholischen Land- und Bauernjugendbewegung (MIJARC) 1954, ein Internationales Treffen in Paris. Bei dem Treffen berichtete ein junger Mann aus Senegal – Casimir Sambou, ein junger Lehrer aus einer Bauernfamilie – über die Situation der Landjugend in Westafrika. Er war 1954 von der westafrikanischen Bischofskonferenz für den Aufbau einer Katholischen Landjugendbewegung beauftragt worden. Beeindruckt luden die Vertreter der KLJB Bayern ihn nach Bayern ein.

Freunde und Patenschaft
Casimir Sambou kam 1958 nach Bayern, er besuchte alle bayerischen Diözesanverbände und sprach vor vielen Versammlungen. Die Aktion lief unter dem Motto „Landjugend hilft Landjugend“. Der Erfolg des Besuches war enorm – Casimir Sambou wurde der Inbegriff für Afrika in der KLJB Bayern. Eine Spendensammlung erbrachte die enorme Summe von ca. 100 000 DM. Populär wurde die Patenschaft mit der Aktion „Ein Schwein für den Senegal“ – Landjugendgruppen mästeten Schweine, deren Erlös ebenfalls an die senegalesische Landjugend ging. Mit diesem Geld wurde vor allem die Arbeit von Verantwortlichen der Senegalesischen Landjugend über mehrere Jahre finanziert, ein Nationalbüro in Dakar gekauft und ein Sekretariat eingerichtet. 1960 kamen die ersten internationalen Gäste zur KLJB Bayern. Sie besuchten Landjugendgruppen, lebten und arbeiteten auf Bauernhöfen mit. Ein reger Austausch über politische, landwirtschaftliche und soziale Themen fand statt. In den 60er Jahren entwickelte sich auch eine Nationalleitung der senegalesischen Landjugend. Diese wurde durch bayerische KLJBler und KLJBlerinnen unterstützt, die mehrere Jahre als Landjugendberater im Senegal lebten.

 

Von der Paten- zur Partnerschaft
In den 70er Jahren kommen UJRCS und KLJB Bayern, unterstützt von einem Umdenken in der MIJARC, zur Erkenntnis, dass beide Partner viel zu geben haben und dass sich eine Partnerschaft zwischen gleichberechtigten Partnern und mit gegenseitigen Besuchen entwickeln muss. Ab 1975 werden diese Besuche im jährlichen Wechsel in Bayern und Senegal durchgeführt. Vor allem werden dabei Landjugendgruppen und ihre Projekte besichtigt und es findet ein Austausch zu sozialen, wirtschaftlichen und kulturellen Themen statt. Brieffreundschaften zwischen Landjugendgruppen werden geschlossen. Auf beiden Seiten wird ein Komitee gegründet, das die Betreuung der Partnerschaft übernimmt – der KLJB-AK-Senegal betreibt, u.a. durch regelmäßige Zeitschriften, Bildungsarbeit in Bayern und informiert die UJRCS-Mitglieder über aktuelle Entwicklungen in Bayern. Das Aufeinandertreffen der sehr unterschiedlichen Kulturen passiert aber nicht reibungslos. Nach den ersten gegenseitigen Besuchen wird man sich auch der großen Unterschiede im Fühlen und Denken bewusst. Offen diskutieren die beiden Bewegungen, ob eine Partnerschaft zwischen zwei Verbänden möglich ist, die unter so ungleichen Umständen arbeiten. Erkenntnis aus diesem Diskussionsprozess war, dass es wichtig ist, zuzuhören und offen und ehrlich Gedanken und Befürchtungen auszusprechen. Ein wichtiger Schritt in einer Nord-Süd-Partnerschaft!

 

Voneinander lernen – die 80er Jahre
Weiterhin unterstützt die KLJB Bayern die Arbeit der UJRCS mit Geldspenden. Die finanzielle Abhängigkeit der senegalesischen Bewegung von der KLJB und die Abrechnungsformalitäten stellen große Hindernisse zu einem „Austausch auf Augenhöhe“ dar. Die 80er Jahre bringen allerdings ein Umdenken, dass zu einer Ablösung der Projektfinanzierung zu Gunsten einer Budgetfinanzierung führte. Neue Themen kommen zur entwicklungspolitischen Öffentlichkeitsarbeit der KLJB hinzu: Konsumverhalten der westlichen Industriegesellschaften, Energie- und Rohstoffverschwendung, Müllexporte.


Neues Wagen – die 90er Jahre
Ein neues Projekt in den 90er Jahren waren die beiderseitigen, sechsmonatigen Praktikantenaustausche. Durch diese sehr intensive Form der Begegnung sollten die Praktikantinnen und Praktikanten die Lebensrealität der Jugendlichen im anderen Land kennen lernen, sich fortbilden und die Erfahrungen anschließend in den Verband tragen. Eine weitere Entwicklung beeinflusste die Partnerschaft nachhaltig: 1992 gründetet die MIJARC-Weltebene den Solidaritätsfonds. Grundidee war, dass die reicheren MIJARC-Bewegungen nicht einzelne ärmere Bewegungen direkt finanzieren sollten, sondern ihr Geld in den „Solifonds“ einzahlen, aus dem letztere dann Hilfsmittel beantragen können und die strukturelle Arbeit (Gremien, Vernetzung) finanziert werden kann. Auf diese Weise sollte mehr Gerechtigkeit entstehen. Diese Idee wurde von UJRCS und KLJB unterstützt, allerdings sollte es noch ein letztes gemeinsames Spendenprojekt geben – ab 1996 einen Dreijahresplan, dessen Einzelprojekte der UJRCS auf Dauer zu finanzieller Selbständigkeit verhelfen sollten. Aus einem Dreijahresplan wurde ein eher erfolgloses Sechsjahresprojekt. Am Ende stand die Erkenntnis, dass auch weiterhin die UJRCS ihre Verbandsarbeit nicht aus eigenen Kräften finanzieren kann.

 

Gemeinsames Arbeiten und Interkulturelles Lernen
In den letzten sechs Jahren fanden weiterhin Begegnungen und Fachkräfteaustausche mit fachlichen, aber weniger mit politischen Diskussionen statt. Die KLJB hat sich aus der finanziellen Förderung zurückgezogen und bemüht sich um Drittmittel für die verbandliche Arbeit der UJRCS. Im Vordergrund stand das Kennenlernen durch gemeinsames Arbeiten (Workcamp im Senegal 2002 sowie Workcamp in Bayern 2006 und 2009) und die Aufarbeitung der missglückten Projekte in der jüngsten Vergangenheit. Heute prägt ein freundschaftliches Verhältnis die Partnerschaft. Die Partner sehen aber auch viele Aufgaben vor sich. Eine Nord-Süd-Partnerschaft am Leben zu halten erfordert ständigen Kontakt und Austausch, persönliche Begegnung, eine kritische Auseinandersetzung mit dem Begriff Solidarität im gesamten Verband, einen Blick für politische Themen, der über die direkte Projektförderung hinaus geht und natürlich einen großen finanziellen Aufwand um Begegnungsfahrten und die bildungspolitische Arbeit in Bayern zu stemmen. 2008 feierten die UJRCS und die KLJB Bayern das 50-jährige Bestehen ihrer Partnerschaft. Grund zum Feiern, aber auch, sich über die Ausrichtung und die Herausforderungen in der Zukunft Gedanken zu machen.



„Ich bin glücklich auf dem Land, weil‘s do de gmiadlichsten Festl gibt.“
Michi