Zölibat
Warum weigert sich die Kirche, den Zölibat aufzuheben?
Diese Frage ist gar nicht so leicht zu beantworten. Zunächst einmal die Fakten: Der Zölibat (lat. caelebs = ehelos) bezeichnet die Verpflichtung katholischer Priester und Ordensleute zur Ehelosigkeit. Aber auch Laien können freiwillig ehelos (=zölibatär) leben. Im Judentum zur Zeit Jesu war Ehelosigkeit nicht verbreitet. Jesus selbst hatte aber, soweit wir wissen, keine Frau an seiner Seite, manche Jünger (z.B. Petrus) dagegen schon. Der Zölibat ist als Prinzip schon seit dem 4. Jh. unter den Christen bekannt und verbreitet, wenn auch nicht überall praktizierter Brauch. Kirchenrechtlich für Priester festgeschrieben wurde er erst im Jahr 1139 auf dem Zweiten Laterankonzil. Der zeitgenössische Grund für diese Festlegung war der Schutz des Kirchenbesitzes: Man wollte verhindern, dass Bischöfe aus dem Adel ihr Bistumsgebiet in weltliche Hände vererben.
Schon die unterschiedlichen Regelungen innerhalb der christlichen Konfessionen aber zeigen, dass die Sache mit dem Zölibat alles andere als klar ist: Die ev. Kirchen z.B. kennen kein Zölibat, bei den Orthodoxen ist er nur für Bischöfe, nicht aber für Priester vorgeschrieben.
Die kath. Kirche begründet ihre Forderung nach dem zölibatären Leben ihrer Priester zunächst durch den Verweis auf die Bibel, wo Jesus in Mt 19,12 sagt: „… Es gibt Ehelose, die um des Himmelreiches willen sich der Ehe enthalten.“ Dies gilt in der kath. Kirche als besondere Form der Christusnachfolge, da ja auch Jesus nach dem Zeugnis der Evangelien ehelos gelebt habe. „Dazu berufen, sich ungeteilt dem Herrn und seiner ‚Sache’ zu widmen, geben sich die kirchlichen Amtsträger ganz Gott und den Menschen hin. Der Zölibat ist ein Zeichen des neuen Lebens, zu dessen Dienst der Diener der Kirche geweiht wird; mit freudigem Herzen auf sich genommen, kündigt er strahlend das Reich Gottes an“ (Katechismus der kath. Kirche, 1579). Der Zölibat erscheint also quasi als Vorzeichen des Reiches Gottes in der heutigen Welt. Konkreter könnte man auch sagen, dass der Zölibat des Priesters Zeichen für einen Glauben ist, der den Priester ganzheitlich, in seinem gesamten Lebensvollzug erfüllt (vgl. Presbyterorum Ordinis 16, II. Vatikanum).
Als Argumente gegen den Zölibat als Pflicht für Priester wird vor allem angeführt, dass ein notwendiger Zusammenhang von Priestertum und Ehelosigkeit nicht wirklich aus dem Neuen Testament abgeleitet werden kann. Er ist eigentlich nur aus seiner oben beschriebenen Zeichenhaftigkeit zu begründen. Deshalb gilt das zölibatäre Leben für Priester und Bischöfe auch nicht als göttliches Recht und ist dementsprechend nicht unumstößlich. Darauf hat auch der Vorsitzende der Deutschen Bischofskonferenz, Erzbischof Zollitsch, hingewiesen. Die Pflicht zum Zölibat für Priester ist eine von den Päpsten und der großen Mehrheit der Bischöfe getragene Glaubensentscheidung, aber ohne dogmatischen – also unveränderlichen – Anspruch. Sollte etwa das zölibatäre Leben zu einer bestimmten Zeit nicht mehr als Zeichen für die ganzheitliche Glaubenshingabe verstanden werden, könnten sich die Bischöfe und der Papst anders entscheiden.
Gerade in den letzten Jahrzehnten mehren sich die Stimmen, die genau aus diesem Grund den Zölibat in der heutigen Zeit problematisch sehen: Aufgrund des gewandelten Verständnisses von Sexualität im 20. Jahrhundert werde der Zölibat eher als unverständliche Lebensentscheidung angesehen und wirke sogar eher kontraproduktiv. Als Argument für die Richtigkeit der Thesen wird häufig der zunehmende Priestermangel vorgebracht, wobei andere Stimmen einen solchen Zusammenhang mit Verweis auf ähnliche Probleme etwa in der evangelischen Kirche bestreiten.
Letztendlich verhält es sich wohl so, dass aktuell trotz der vorgebrachten Argumente kaum eine Mehrheit im Bischofskollegium einer Aufhebung oder Lockerung des Zölibats zustimmen würde, auch weil sich die meisten Einwände lediglich auf die Situation in Europa oder Nordamerika beziehen – in Teilen Lateinamerikas und Afrikas, v.a. aber in Asien stoßen Forderung nach einer Abschaffung des Zölibats häufig auf großes Unverständnis. Eine solche Entscheidung würde daher, um noch einmal Erzbischof Zollitsch zu zitieren, „im Moment die Einheit der Kirche gefährden“.